Haushaltsrede 2022 des Fraktionsvorsitzenden Alexander Alberts

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates und der Verwaltung,
der Kämmerer hat den Haushaltsentwurf 2023 mit einem nichtbereinigten Ergebnis von minus 10 Mio. € eingebracht. Dies ist nicht der erste Haushalt in defizitärer Schieflage – gerade zu Beginn des NKF-Zeitalters hatten wir mit solchen Entwürfen zu kämpfen. Doch die Situation hat sich dramatisch geändert. Damals wurden wir zum ersten Mal mit dem Ressourcenverbrauch im städtischen Haushalt konfrontiert. Wir haben uns so mit unseren Erträgen und vor allem mit unseren Aufwendungen neu auseinandergesetzt. Haben uns mit unseren „eigenen Verhältnissen“ beschäftigt, was können wir uns selber in welcher Form leisten.
Heute wird das Haushaltsdefizit von außen auf uns übergestülpt. Die weltpolitischen Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg haben massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und unsere staatlichen Finanzen. Auch die mit den kriegerischen Auseinandersetzungen – nicht nur in Osteuropa – verbundenen Flüchtlingswellen stellen uns vor neue riesige Herausforderungen.
Allein durch die mit dem Krieg verbundenen Energieengpässe steigen die Kosten für die Gas- und Stromversorgung um über 3 Mio. €. Aufgrund der einhergehenden Inflation steigen fast sämtliche Aufwandspositionen. Inflation auf allen Ebenen, die alle trifft. Mit Blick auf die ersten Tarifabschlüsse in der Metallindustrie oder bei VW, müssen wir auch für die anstehenden Verhandlungen im öffentlichen Dienst mit einer größeren Kostensteigerung beim Personal rechnen.
Insgesamt ging der Kämmerer bei seiner Haushaltseinbringung von kriegsbedingten Belastungen von rund 8,5 Mio. € aus.
Aus meiner Sicht wurden hierbei die voraussichtlichen Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten noch sehr positiv von der Verwaltung kalkuliert. Es kann aber, denke ich, nicht ausgeschlossen werden, dass wir auch in Geldern verstärkt über Sammelunterkünfte mit den damit verbundenen hohen Kosten nachdenken müssen.
Dies alles soll deutlich machen, dass die großen Faktoren für die Schieflage des städtischen Haushaltes nicht hausgemacht sind. Im Gegenteil, die letzten Haushalte zeigten eine sehr positive Tendenz, die auch von der Corona-Pandemie nicht aufgehalten werden konnte.
Aus Sicht meiner Fraktion werden aktuell Bundes- und Landespolitik mit Blick auf die kommunalen Haushalte nicht ihrer Verantwortung gerecht:
- Flüchtlingspolitik
Es ist unstrittig richtig, wichtig und ein Gebot der Menschlichkeit allen Flüchtlingen Schutz und Unterkunft zu gewähren. Allerdings müssen die hierfür verantwortlichen Stellen – Bund und Länder – dann auch für eine menschenwürdige Unterkunft sorgen. Dies ist sicherlich nicht auf Dauer auf Landesebene möglich. Keine Frage, wie bisher sind die Kommunen vor Ort hierfür die richtigen Ansprechpartner. Allerdings müssen die Länder endlich für eine entsprechende finanzielle Ausstattung sorgen. Das Gefeilsche über Quoten und Statistiken, die nachher Grundlage für eine Abrechnung sind, stellen reinste Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dar. Den hohen finanziellen Belastungen müssen endlich auch die entsprechenden Einnahmen gegenübergestellt werden können.
In diesem Zusammenhang: Das Land NRW muss die Kreise endlich so unterstützen, dass eine adäquate Besetzung der Ausländerbehörden möglich wird. Gerade bei uns im Kreis Kleve als Flächenkreis mit einer Kreisstadt in einem äußeren Winkel und den damit weiten Wegen bei schlechter ÖPNV-Infrastruktur sind dies für die Flüchtlinge äußerst unbefriedigende Zustände.
- Energiekosten
Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen Monaten bemüht die Energiemangellage mit Einkäufen in aller Welt abzuwenden. Hier konnte sicherlich Vieles erreicht werden. Eine Auswirkung sind allerdings explodierende Preise für die Endkunden. Es ist äußerst bedauerlich und befremdlich, dass bei den Diskussionen und der Entscheidung zur Gaspreisbremse im ersten Anlauf die Kommunen ganz vergessen worden sind und auch heute nicht abschließend klargestellt ist, für welche Liegenschaft jetzt konkret auch die Kommunen von der Bremse „profitieren“ werden.
- Isolierung
Im Rahmen der Corona-Pandemie wurde der „Bilanzierungstrick“ der Isolierung erfunden. Ziel war es damals viele Kommunen vor einer Haushaltssicherung zu bewahren. Dieser Trick wird nun um die kriegsbedingten Mehraufwendungen erweitert. Damit wird auch in diesem Fall natürlich das Ziel erreicht, dass eine Haushaltssicherung – wie auch bei uns in Geldern – vermieden werden kann.
Meine Fraktion hält dieses Vorgehen allerdings für brandgefährlich. Erweckt man doch hierdurch schnell den Eindruck, dass die Lage doch gar nicht so schlimm ist. Schnell werden aus 10 Mio. € Defizit auch nur noch 2 Mio. € Defizit. Das böse Erwachen kommt dann später, wenn über die isolierten Millionenbeträge entschieden werden muss.
Auch hier hätte das Land NRW andere Möglichkeiten ergreifen können. Neben einer großen unbürokratischen finanziellen Unterstützung – okay dies ist vielleicht etwas unrealistisch – hätte man aber beispielsweise einfach die Kriterien bezüglich der Haushaltssicherung vorübergehend außer Kraft setzen können, ähnlich der Schuldenbremse auf Bundesebene.
Für meine Fraktion war für die Haushaltsberatungen klar, dass die Isolierung nicht einfach ausgeblendet werden darf. Gleichzeitig darf die Krise aber auch nicht dazu führen, dass der gesamte Haushalt, alle laufenden und geplanten Projekte komplett in Frage gestellt werden. Denn vor der Kriegs-Krise war der Haushalt – ich sagte es bereits – weitestgehend im Lot. Ich möchte auf einige wenige Schwerpunkte kurz eingehen:
Steuern
Vor dem zuvor geschilderten Hintergrund haben wir der Erhöhung der Grundsteuer auf die fiktiven Hebesätze und der Nichtsenkung der Gewerbesteuer auf die fiktiven Hebesätze sehr schweren Herzens mitgetragen. Angesichts des hohen Defizits sehen wir ein, dass dieser Schritt trotz der damit verbundenen Belastungen für die Bürgerschaft und die Gewerbetreibenden erforderlich ist.
Eine zusätzliche Erhöhung der Hundesteuer lehnen wir jedoch ab. Aktuell gibt es auch nach Rücksprache mit dem Tierheim keine ordnungspolitische Notwendigkeit zur Erhöhung dieser Steuer.
Zudem kann es aus Sicht meiner Fraktion nicht richtig sein, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe – hier die Hundebesitzer/innen – mit Blick auf die finanzielle Schieflage der Stadt allein zusätzlich zu belasten. Erst recht nicht, wenn man weiß, dass diese Gruppe bereits durch den Anstieg bei den Futtermitteln und der Neuordnung der Tierarzt-Sätze deutlich zusätzlich belastet worden ist.
Erfreut sind wir dagegen, dass unser Antrag auf Förderung von Mini-Solaranlagen als kleinen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels nach langen Diskussionen doch noch seinen Weg in den Haushalt gefunden hat.
Schulen
Nach wie vor erfreulich sind die laufenden Baumaßnahmen an vielen Gelderner Schulen. Die ersten Projekte konnten abgeschlossen werden oder stehen unmittelbar vor der Fertigstellung. Insbesondere hier ist es wichtig, auch mit Blick auf die Entwicklung der Kosten – vor allem auch der Zinsen – das Tempo hoch zu halten. Die nächsten Grundschulen rücken in den Fokus und für das LMG nebst Aula müssen Entscheidungen getroffen werden, um auch hier die Planungen vorantreiben zu können.
Sport
Es gibt viele Wünsche aus den Vereinen. Hier ist es mit Blick auf die geschilderte Haushaltslage für meine Fraktion „akzeptabel“ ein Stück weit inne zu halten. Gleichwohl muss das Jahr 2023 für Entscheidungen genutzt werden. Die Fragen der Nutzung, Ausstattung und damit der Grad der Sanierung des Gelderlandstadion muss endlich abschließend getroffen werden.
Die von den Vereinen angestoßenen Investitionen müssen bewertet und in eine Prioritätenliste überführt werden. Dies sollte/muss aus FDP-Sicht in 2023 erfolgen, damit bei klarerer Haushaltslage auch direkt losgelegt werden kann.
Kindergärten und OGS
Die FDP hat sich bekanntlich grundsätzlich für eine komplette Abschaffung der Elternbeiträge ausgesprochen. Dies war nicht mehrheitsfähig. Wir haben die vergangenen Monate immer wieder für einen ausgiebigen Austausch mit einem Teil der anderen Fraktionen genutzt. Ziel soll es sein, eine weitere Reduzierung und eine gerechtere Staffelung der Beiträge zu erreichen.
Aus unserer Sicht ist eine Reduzierung zu Lasten des städtischen Haushaltes auch in der aktuellen Haushaltslage vertretbar und richtig. Es geht darum, die jungen Familien mit Kindern ein wenig zu entlasten, die durch die eingangs beschriebene Weltlage ihrerseits bereits durch gestiegene Energiekosten und Inflation äußerst belastet sind.
Stärkung des Einzelhandels
Seit Jahren wünschen wir uns eine Stärkung der Innenstadt durch die Ansiedlung weiterer Gastronomie am Gelderner Markt. Dabei stand lange – durchaus auch zu Recht – das Sparkassengebäude im Fokus der Überlegungen. Die nun in greifbarer Nähe befindliche Ansiedlung von Café Extrablatt an der Ecke zur Heilig-Geist-Gasse ist eine tolle Alternative. Hierbei würde es sich um eine große Bereicherung, insbesondere auch für jüngere Menschen handeln, was sicherlich dem Ziel der Stärkung der Innenstadt Rechnung tragen würde.
In diesem Zusammenhang muss ich auch ein leidiges Thema ansprechen: Vor über einem Jahr wurde – nicht zum ersten Mal – über die negativen Auswirkungen der vielen Tauben in der Innenstadt auf Wochenmarkt aber auch Ladenlokale auf der Hartstraße berichtet. Die Verwaltung wollte diesem Problem durch ein zusätzliches Taubenhaus begegnen. Passiert ist wenig bis nichts. Wir haben diesbezüglich immer wieder nachgefragt und wurden immer wieder „hingehalten“. Dies ist kein sachlicher und konstruktiver Umgang miteinander. Das Verhalten der Verwaltung und des Bürgermeisters an dieser Stelle ist befremdlich, enttäuschend und stellt keine vertrauensbildende Maßnahme dar.
An dieser Stelle möchte ich zudem kurz auf unseren Antrag „Niers-Hafen“ hinweisen. Auch hier geht es letztendlich nicht nur um eine Stärkung des Freizeitangebotes, sondern auch darum, den Einzelhandel der Innenstadt zu stärken. Andere Kommunen machen uns vor, wie es gehen kann.
Werbering
Die Stadt Geldern hat dem Werbering in den vergangen Jahren sehr viel zu verdanken. Es wurden viele Veranstaltungen entwickelt, organisiert und über Jahrzehnte erfolgreich mit Leben gefüllt. Veranstaltungen, die der Stadt Geldern einen guten Ruf beschert, eine Vielzahl von Gästen in die Stadt geführt und unsere Einkaufsstadt entsprechend gestärkt haben.
Leider ist das System, welches im starken Maße auf ehrenamtliches Engagement setzt, so nicht mehr lebensfähig. Der FDP ist es wichtig, die großartigen Veranstaltungen zu bewahren. Wir sind gerne zu einer Diskussion über den für uns richtigen Weg bereit – ob durch personelle Unterstützung des Werberings, die Vergabe an Dritte oder eigenes Personal –. Außerdem wünschen wir uns auch weiterhin einen geschulten und fachlich versierten zentralen Ansprechpartner für den Einzelhandel. Vielleicht muss in diesem Zusammenhang auch noch einmal über die Einbindung der anderen gewerblichen Branchen und der Ortschaften nachgedacht werden.
Fachkräftemangel und Stärkung unserer Wirtschaft
Gemeinsam mit den Jungen Liberalen haben wir uns im vergangenen Jahr für die Einrichtung eines kommunalen Online-Portals für Ausbildungsplätze eingesetzt, um dem stetig steigenden Problem des Fachkräftemangels aktiv entgegenzutreten. Leider fand dies keine politische Mehrheit.
Die vielen Aktivitäten durch andere Akteure zeigen uns, dass auch andere endlich die Zeichen der Zeit erkannt haben. Wir würden es begrüßen, wenn dieses Thema von der Verwaltung im kommenden Jahr auch mit Blick auf die eigene Personalsituation neu durchdacht und aufgegriffen wird.
Und damit komme ich zum Schluss: die FDP-Fraktion wird dem Haushalt 2023 zustimmen! Ich bedanke mich an dieser Stelle auch im Namen meiner Fraktionskolleginnen und Kollegen bei Ihnen allen für die gute Zusammenarbeit in diesem Jahr.
Ich wünsche uns allen ein gutes, frohes und gesundes Jahr 2023!